CB: Erst mal danke ich Euch, dass Ihr Euch Zeit genommen habt für dieses Interview. Wir treffen uns in Eurem Atelier in Zürich Wipkingen. Wie lange arbeitet Ihr schon hier?
CW: In diesem Raum (Pause) seit 5 oder 6 Jahren. Also im Februar 2009 sind wir hier eingezogen.
DS: Es ist eine alte Druckerei und als der Drucker in Pension ging, konnten wir seinen Vertrag übernehmen. Darum sind wir hier.
CB: Ihr habt beide bis 2004 an der HGKZ studiert mit der Vertiefung Mediale Künste. Wie seid Ihr dazu gekommen, Künstler respektive Künstlerin zu werden? War das schon immer Euer Wunsch?
DS: Mich hat vor allem das Internet interessiert. So das Internet als Tool, um auch eine Stimme zu haben. Und ich bin eigentlich übers Netz auf die Kunst gekommen. Das heisst, ich hab relativ früh, mit 18, begonnen, für Internetfirmen zu arbeiten, gleich nach der Matura.
CB: Was hast Du da gemacht?
DS: Wir haben Webseiten gebaut, programmiert, das war also so 1998, da war gerade so Highlife...
CW: ...weil da gab es ja noch nicht diese Berufe, den, was weiss ich, den...
DS: ...genau, also du bist jetzt Web-Designer, oder du bist Programmierer, das gab’s da noch nicht.
CB: Du warst also quasi auch bei der Entwicklung dieser neuen Berufsfelder mit dabei?
DS: Genau. Es gab da so einen Begriff, der rumgeschwirrt ist, diesen Begriff der Netzkultur, der Netzkunst. Das hat mich dann mehr interessiert als diese Businesslogik. Da hab ich mich dann entschieden, mich an der Kunsthochschule einzuschreiben und bin diesen Weg gegangen.
CB: Und wie war das bei Dir, Carmen?
CW: Also das mit der Kunst war für mich nicht so klar zu Beginn. Mich haben auch digitale Räume interessiert. Vor allem auch das Sich-Vernetzen-Können und das Kommunizieren-Können. Ich hab dann den Vorkurs an der damaligen HGKZ gemacht, das wäre das heutige Propädeutikum, und habe, als es darum ging, die Aufnahmeprüfung für die Fachklassen zu machen, (Pause) also ich muss dazu sagen, dass ich im Vorkurs zwar nicht ausschliesslich, aber immer wenn ich konnte, digital gearbeitet habe, also nicht auf Papier. Das hat sich nicht so gut vertragen mit dem Vorkurs. Da ging es halt mehrheitlich ums Zeichnen. Das find ich auch alles total in Ordnung, aber immer wenn ich digital gearbeitet habe, haben mir meine Lehrer gesagt, sie könnten das nicht bewerten, weil sie die Kriterien dazu nicht hätten. Und dann ging es um die Fachklassen, und ich habe mich für Visuelle Kommunikation und für Mediale Künste beworben. Am Aufnahmegespräch für Mediale Künste hat mich dann Giaco Schiesser, der damalige Leiter für Mediale Künste, gefragt, warum hast du dich auch für Visuelle Kommunikation beworben – da bist du ja nur Gestalter!
CB: Ja, da wärst Du dann Grafikerin, im angewandten Bereich.
CW: Genau. Und bei uns, also bei den Medialen Künsten, bist du halt Autorin – Medienautorin haben sie das damals genannt, glaub ich.
CB: Und dieses Freie hat Dich gereizt?
CW: Ja genau. Ich glaub, mich haben aber wirklich diese Räume damals schon mehr interessiert, als dass ich mir wirklich Gedanken darüber gemacht hätte, was jetzt meine Rolle darin sein könnte. Und an diesem Aufnahmegespräch ist mir dann recht Vieles klar geworden. Einfach durch ihn.
CB: Giaco Schiesser war also eine wegweisende Figur für Dich?
CW: Ja. Auch während meines Studiums hat er mich sicherlich beeinflusst.
CB: Ihr habt also beide in der Medialen Kunst oder im Internet ein Potenzial gesehen. Für die klassischen künstlerischen Medien habt Ihr Euch nicht interessiert?
DS: Es war für mich einfach gerade zu spannend da. Weil du da halt so viel mitgestalten konntest. Du konntest Sachen behaupten, du hattest plötzlich eine Stimme, die Stimme wurde auch in Südamerika gehört, wenn du wolltest. Das wäre mit traditionellen Medien wie Fotografie, Video oder auch der „normalen“ Bildenden Kunst schwierig zu leisten gewesen...
CW: ...zu dem Zeitpunkt, natürlich. Heute ist das alles schon wieder näher zusammengerückt.
DS: Ja, aber damals war’s halt einfach der wahrscheinlich spannendste Ort.
CW: Ja, und ich find auch dadurch, dass die Ausbildung ja nicht ausschliesslich auf Kunst ausgerichtet war, obwohl die Dozierenden mehrheitlich einen künstlerischen Background hatten, aber dadurch finde ich, war eben diese Frage auch nicht so im Vordergrund, und das hat es eben auch spannend gemacht. Es war halt viel eher ein neues Feld, das man mitgestalten konnte, als dass man so eine Technik lernen muss, wie wenn man beispielsweise Illustration studiert. Da, nehme ich an, verbringt man sehr viel Zeit damit. Wir haben natürlich auch Techniken erlernt, aber das war in einem ganz anderen Masse aufregend, finde ich.
CB: Du sagst, Ihr habt auch Techniken erlernt. Was für Techniken waren das denn? Habt Ihr eine Programmiersprache gelernt?
CW: Das Meiste war im Rahmen von Projekten. Wir hatten zum Beispiel 3D-Unterricht, aber es war wirklich vorwiegend Learning-by-doing. Anhand der Projekte haben wir dann Script-Sprache erlernt. Aber ich finde, das hauptsächliche Erlernen von Techniken in unserem Bereich war eigentlich, sich diese Denksysteme anzueignen, weil das Internet damals sehr stark auch beeinflusst wurde von Bereichen wie der Medienphilosophie oder auch der Soziologie. Natürlich hat die praktische Technik schon auch eine Rolle gespielt, aber da gab es verschiedene Denksysteme, die sich mit dieser neuen Welt beschäftigten. Und zu diesen haben wir einen Zugang vermittelt bekommen.
CB: Ihr betont jetzt beide diesen Zugang über das Medium, über das Internet zur Kunst. Seid Ihr vor der Ausbildung mit Kunst in Berührung gekommen? Wie ist da Euer Hintergrund? Seid Ihr mit Kunst aufgewachsen?
CW: Ja und nein. Ich habe beispielsweise viel Theater gespielt. Ich habe aber auch immer viel gezeichnet. (Zu DS:) Du hast auch viel gezeichnet.
DS: Ich bin in St. Gallen aufgewachsen, und da gab’s halt nicht so viel. Ich war aber Teil der Kulturszene. Jetzt nicht kunstspezifisch, aber ich war im Umfeld von Leuten, die was gemacht haben, die produzierten, das war eigentlich immer schon so.
CB: Hattet Ihr Vorbilder? Gab es Künstler, denen Ihr wichtige Anstösse verdankt oder die Euch in besonderem Masse gefördert haben?
DS: Es ist schwierig, das zu personifizieren. Für mich war’s eher so das Verstehen von Netzkunst. Was kann Kunst im Browser sein, eher so auf dieser medialen Ebene. Das hängt dann auch mit anderen Kunstströmungen zusammen, wie Fluxus, Dada, alles was ein wenig sperrig war, vielleicht, und was ausserhalb des Kunstsystems auch funktioniert hat. Solche Ansätze haben mich viel stärker beeinflusst als spezifisch einzelne Personen.
CB: War’s also auch eine Faszination für das Immaterielle?
DS: Ja, vielleicht, oder noch eher für das Konzeptionelle. Und das zieht sich ja jetzt bei uns immer noch durch. Das sind ja eigentlich alles konzeptionelle Arbeiten.
CB: Wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit? Habt Ihr schon während des Studiums gemeinsam Arbeiten realisiert?
CW: Ja. Wir haben eigentlich mit einem Server angefangen. Damals gab es ja noch kein Breitband-Internet für alle. Das war halt super an der HGKZ, da hatten sie Breitband, und wir haben dann einen Rechner ins Schulnetzwerk eingeschleust. Das war ein Computer, der immer online war und gleichzeitig war’s auch ein Server, das heisst, man konnte auch von aussen darauf zugreifen. Das erweiterte natürlich das Aktionsfeld.
DS: Das war unsere erste öffentliche Stimme. Und damit haben wir begonnen, Experimente zu machen. Und wir waren auch Teil der Zürcher Kunst- und Kulturszene. Wir waren massgeblich beteiligt an dieser Cabaret-Voltaire-Geschichte, bei der Besetzung 2002, und haben da auch die Infrastruktur, die wir mitgebracht haben und das Verständnis für Medien gebraucht, um dieses Haus über mehrere Wochen zu bespielen.
CB: War das so die Initialzündung?
CW: Es gab eigentlich keine Initialzündung. Es war eher so, dass wir einfach Sachen gemacht haben, und das war einfacher mit einem Server, der hat dann auch einen Namen gekriegt, der hat dann einfach Bitnik geheissen. Und wir haben uns einerseits an diesen grösseren Projekten beteiligt, wie die Cabaret-Voltaire-Besetzung, die Domagoj angesprochen hat, wo wir in einer grösseren Gruppe aktiv waren. Und dann haben wir aber bereits auch eigene Ausstellungen realisiert, das waren eher kleinere Geschichten, wo wir auch mehrheitlich kuratorisch tätig waren, also nicht nur eigene Arbeiten gemacht haben, sondern wirklich auch versucht haben, Themen zu setzen. Es war so ein bisschen beides. Und es waren dann über längere Zeit vier bis fünf Personen beteiligt, und gegen Ende des Studiums ist dann klar geworden, dass die anderen was anderes machen wollen als Kunst. Wir beide sind dann sozusagen übrig geblieben und haben das vorangetrieben, weiterverfolgt. Inzwischen haben wir aber wieder zwei Personen, die mitarbeiten.
CB: Du sprichst Adnan Hadzi und Daniel Ryser an. Sie werden auf Eurer Homepage als „Member“ bezeichnet. Welchen Status oder welchen Anteil haben sie innerhalb der Mediengruppe?
CW: Es ist so, dass wir zu zweit das Kernteam bilden und die tägliche Arbeit machen, und die beiden Member daneben auch eine eigene kulturelle Identität noch haben. Das haben wir nicht, wir arbeiten nicht ausserhalb der !Mediengruppe Bitnik. Adnan Hadzi ist Dokumentarfilmer, Professor, er unterrichtet in London. Daniel Ryser ist Autor, er schreibt für verschiedene Magazine, im Moment glaub ich wieder mehr für die WOZ, er schreibt aber auch Bücher. Sie sind für uns sehr wichtige Partner, einerseits weil sie einen Resonanzraum für Arbeiten bilden. Sie sind immer die ersten, mit denen wir über Ideen sprechen. Andererseits sind sie auch bei den Umsetzungen oft dabei. Es kommt ein bisschen drauf an, wenn sie was interessiert...
DS: ... oder wenn sie Zeit haben.
CW: Genau. Und da übernehmen sie dann auch ganz spezifische Funktionen. Adnan filmt eigentlich immer.
DS: Er dokumentiert unsere Arbeiten jetzt schon seit zehn Jahren. Da haben wir Unmengen an Material, das sich noch niemand angeschaut hat. Die Key-Momente, wo es auch mal heiss werden konnte, die hat er auf Film. Wir müssen mal schauen, was wir damit machen. Vielleicht wird das mal ein Film. Das ist alles schön archiviert. Adnan ist da sehr professionell. (Pause). Und Dani hat uns zum Beispiel bei der letzten Arbeit, Delivery for Mr. Assange, begleitet, hat ein Buch geschrieben, sehr subjektiv aus dem Inneren der !Mediengruppe Bitnik, wie wir so eine Arbeit miterleben. Sehr persönlich.
CB: Die beiden bringen also noch zusätzliches Know-How mit und bilden auch Euren Spiegel, wenn ich richtig verstehe.
DS: Genau. Uns ist der Austausch immer wichtig. Wir haben uns immer gewehrt gegen dieses Bild des Künstlers als Genie, so als Einzelproduzent, der...
CW: ... im Wald spazieren geht und dann eine Eingebung hat.
DS: Für uns ist Kommunikation sehr wichtig. Unsere Kunst ist ja auch Kommunikation. Darum haben wir eigentlich probiert, das auch intern abzubilden. Wir sind halt auch eine Gruppe, sind nicht alleine, es funktioniert eher über Gespräche.
CW: Aber es ist halt chaotisch. Es ist immer wieder verhandelbar, und das muss es auch sein. Wir sind kein offenes Kollektiv, das sicher nicht, aber wir sind schon so halb durchlässig. Dani ist eigentlich dazu gekommen, weil er einen Artikel über die !Mediengruppe Bitnik geschrieben hat in der WOZ, über Opera Calling, und er ist damals zu uns ins Atelier gekommen. Wir haben ihn schon gekannt, er war ein Freund von uns. Er war auch im Rahmen der Zürcher Kulturszene tätig, als Slam Poet, und ist immer wieder aufgetreten. Und da ist er dann aber in der Rolle des Journalisten gekommen. Nach der Hälfte des Interviews hat er aber eigentlich alles hingeschmissen, weil er fand, er wisse überhaupt nicht mehr, worüber wir hier eigentlich sprechen, und er komme sich vor, als sei er jetzt Propagandaminister der !Mediengruppe Bitnik.
DS: Wir haben damals auch gesagt, wir sprechen nicht mehr mit Journalisten, wir sprechen nur noch mit Bitnik-Mitgliedern. Wir hatten da schon zu viel Pressearbeit gemacht. Es war eigentlich mehr so, dass wir gesagt haben, es ist jetzt total absurd: Entweder können wir dich jetzt in diese Welt einführen, und dann bist du aber Teil davon, oder wir lassen es bleiben. Und er ist darauf eingestiegen und hat dieses 5-stündige Interview verlassen mit einer Bitnik-E-Mail-Adresse und einem Stapel von Büchern, Referenz-Literatur, die er halt lesen musste, um quasi dieses Konstrukt auch irgendwie zu verstehen.
CW: Genau. Wir fanden es halt lustig, dass er als WOZ-Journalist dann plötzlich eine Bitnik-Adresse hatte und damit eigentlich als Teil von Bitnik handlungsfähig war. Das hat natürlich bei ihm auch einen Konflikt ausgelöst.
DS: Er hat dann seinen Artikel schliesslich auch über diesen Konflikt geschrieben.
CB: Über Opera Calling wollte ich auch noch mit Euch sprechen. Das Projekt löste ja ein grosses Medienecho aus, deshalb wohl auch die viele Pressearbeit. Und die Debatte über Kultursubventionen. Ihr wolltet der breiten Öffentlichkeit, die ja für die Subventionen von Kulturprojekten aufkommt, welche dann aber nur von einer vergleichsweise kleinen Gruppe in Anspruch genommen werden, auch was zurück geben. Das ist eine ziemlich kritische Haltung.
DS: Wir hatten eine ganz einfache Fragestellung. Gibt es eine Möglichkeit, dieses geschlossene Kulturhaus, das Zürcher Opernhaus, was eine ganz spezifische Art von Musik spielt, von Autoren, die jetzt alle schon über hundert Jahre tot sind, gibt es eine Möglichkeit, dieses Haus zu öffnen?
CW: Ich glaube, das Opernhaus hat uns auch interessiert, weil es so ziemlich das Gegenteil von Internet ist. Das Internet, das von überall zugänglich ist...
CB: ... und auf der anderen Seite das Opernhaus als geschlossene Institution.
DS: Genau. Dann war die Frage, gibt’s eine Möglichkeit, diesen Raum aufzubrechen. Was könnte man da machen, wie würde das funktionieren, und ich glaube, da hatten wir für die Arbeit auch den richtigen Partner, das Cabaret Voltaire, als Kulturinstitution. Wir haben dann diese Geschichte konzipiert von der Wanze im Opernhaus, die es auch wirklich gab, die das Live-Signal der Oper zuerst mal ins Cabaret Voltaire überträgt und von da dann auch ins Telefonnetz der Stadt Zürich, wo halt die Leute sitzen, die für diese Oper bezahlen. Und so die Leute auch zuhause zu erreichen, weil es schon ein persönlicherer Raum ist als der Kunstraum, der zwar schon per se offen ist für alle, der aber auch wieder ein spezifisches Publikum anspricht...
CW: ... und auch eine ganz bestimmt Rezeptionshaltung voraussetzt. In vielen unserer Arbeiten geht es genau darum, diesen virtuellen öffentlichen Raum zu bespielen, den wir in gewisser Weise auch behaupten. Also, dass dieser digitale Raum einen öffentlichen Raum schafft. Und den bespielen wir immer wieder mit unserer Kunst, die dann auch ihre angestammten Räume verlassen kann und sich andere Räume sucht. Ich glaube, dass bei Opera Calling, das mit den Subventionen (Pause), das ist eine Forderung, die wir vermutlich unterschreiben würden, dass öffentlich subventionierte Kultur öffentlich zugänglich sein sollte. Das gilt ebenso für die Wissenschaften. Im Falle des Opernhauses wurden wir von der Presse immer wieder gefragt, ob wir denn die Subventionierung des Opernhauses streichen wollten. Wir haben dann immer gesagt, nein, am liebsten hätten wir ein zweites Opernhaus, oder vielleicht drei. Eigentlich geht es ja nicht darum, Kultur oder Kunstformen gegeneinander auszuspielen, sondern wir wollten spielerisch eine Verschränkung thematisieren. Die Arbeit hat ja auch viel Humor, und es geht sicher nicht darum, dem Opernhaus irgendwelche Subventionen zu streichen. Das Opernhaus hat das auf der Ebene auch überhaupt nicht als Angriff verstanden. Sie fanden das eher charmant...
DS: ... nachdem sie uns den Anwalt geschickt hatten (lacht). Das darf man nicht vergessen.
CW: Klar, aber ich glaube, da ging es ein bisschen darum, die Hoheit über ihren Raum zu verteidigen, die wir verletzt hatten. Aber was die Kulturdebatte angeht: das Opernhaus spielt eine spezielle Rolle in der Zürcher Kulturlandschaft. Ich weiss auch nicht, ob die Arbeit in einer anderen Stadt mit einem anderen Opernhaus so funktioniert hätte, weil das Opernhaus hier natürlich auch für die Opernhaus-Krawalle steht und eine bestimmte Geschichte hat und es, für die Grösse der Stadt, auch eine riesige Ausstrahlung hat. Und ich finde, die Diskussion in den Medien war überhaupt nicht humorlos, Subventionen ja oder nein, sondern die war recht differenziert und lustvoll.
CB: Mir ist aufgefallen, dass Ihr bei dieser Arbeit, aber auch beispielsweise bei Delivery for Mr. Assange mit ganz einfachen, pragmatischen Medien arbeitet. Einem Mobiltelefon, einer Paketdrohne, einer Handykamera. Woher kommt die Affinität für diese doch auch etwas überholten Medien?
CW: Ich glaube es gibt keine alten und neuen Medien, das koexistiert. Es gibt nur alte und neue Mediengebräuche. Bei Opera Calling war es ja auch so, dass wir eigentlich einen Rückgriff auf das Operntelefon gemacht haben, das es mal gab zur Zeit, als das Telefon eingeführt wurde. Da wurde das Telefon als Radio gebraucht, weil das Radio noch nicht erfunden war, und das Telefon war nicht kommerziell nutzbar, weil man ja nicht sagen konnte, kauf dir ein Telefon, und dann wartest du mal, vielleicht kauft sich noch wer in deiner Stadt auch ein Telefon.
CB: Ihr knüpft da eigentlich an eine alte Tradition an.
DS: Genau. Es ist ein Bild, das es schon gab, das wir quasi re-enacten.
CW: Ja, genau. Und bei Delivery for Mr. Assange ist es was Ähnliches. Da stellen wir das ältere Postsystem der neueren E-Mail-Kommunikation gegenüber, und das Erstaunliche ist, dass das Postsystem natürlich in Sachen Privatsphäre oder Rechte und Pflichten des Staates ganz anders ausformuliert ist als die E-Mail, die von jedem, der sie beim Durchgehen halt grade noch erwischt, einfach beliebig kopierbar ist. Es sind eher Mediengebräuche. Klar, das Postsystem ist uralt, aber es dient einem ähnlichen Zweck wie die E-Mail, und da schauen wir gerne diese Verschiedenheiten, diese unterschiedlichen Ausprägungen an. Das sagt sehr viel aus über ein gesellschaftliches System, das gerade ist. Das ist ja auch unser Anspruch, über Gegenwärtiges zu sprechen.
CB: Bei Eurer Arbeit Surveillance Chess fordert Ihr über die Überwachungskameras der Londoner Tube Stations das Überwachungspersonal zu einer Partie Schach auf. Hat da jemand mitgespielt? Oder spielt das gar keine Rolle?
DS: Das Video, das online ist und das wir auch auf Ausstellungen zeigen, zeigt einen Teil dieser 3-tägigen Performance. Es zeigt eigentlich den gescheiterten Versuch dieser Einladung zum Schachspiel.
CB: Du siehst die Aktion als gescheitert an?
DS: Nein. Die Arbeit ist nicht gescheitert, aber der Kommunikationsversuch über diesen Kanal scheitert. Es gibt kein Echo, weil er auch nicht dafür gedacht ist, weil es gar nicht denkbar ist, eigentlich. Aber wir wollten durch die Repetition dann trotzdem diese Unmöglichkeit auch thematisieren. Es ging uns bei dieser Arbeit vor allem auch um dieses Ungleichgewicht in einer solchen Überwachungssituation: dass da halt jemand ist, der Zugang hat zu diesen Bildern und jemand, der keinen Zugang hat. Und wir hatten das Gefühl, dass, wenn wir ein Spiel in dieses Überwachungssystem einführen, dass wir in dem Moment vielleicht gleichwertige Partner sind, weil man sich da auf gemeinsame Regeln einigen muss.
CB: Gerade das Schachspiel hat ja auch mit Macht und Kontrolle zu tun.
CW: (Pause). Ja, die Schach-Arbeit greift etwas auf, das wir immer wieder in unseren Arbeiten haben, nämlich dieses Missverständnis von Medien. Die meisten Medien werden ja für etwas Bestimmtes gebraucht, könnten aber auf gesellschaftlicher Ebene andere Dinge auch noch. Das Telefon beispielsweise ist ein Kommunikationsmedium, könnte aber auch zum Broadcasten, also eben wie ein Radio, gebraucht werden. Und hier ist es umgekehrt. Die Überwachungskameras bilden eigentlich ein geschlossenes Broadcasting-System, das wir als Kommunikationsmedium zu nutzen versuchen.
CB: So ähnlich ist es auch bei Euren Arbeiten CCTV oder Militärstrasse 105. Da macht Ihr den Rezipienten letztlich zum Überwacher. Ihr weist ihm eine ganz bestimmte Rolle zu. Bei Militärstrasse 105 wurde ja die Videofootage dann auch in Echtzeit in den Ausstellungsraum übertragen. Kann das mit der Live-Verfolgung der Paketdrohne bei Delivery for Mr. Assange verglichen werden?
DS: Ich glaube, uns interessiert der Live-Raum, der Moment der Live-Übertragung. Wir haben den Eindruck, dass das Live-Erlebnis eine der stärksten Medienerfahrungen ist, die es gibt. Fernsehen funktioniert heute nicht mehr, ausser live. Es funktioniert noch bei einer Fussballübertragung, aber die im Nachhinein zu schauen, macht schon fast keinen Spass mehr. Das provoziert natürlich aber auch Probleme bei unseren Arbeiten, weil sie genau in dem Moment funktionieren, wenn sie passieren. Nachher braucht’s dann recht viel Arbeit, um eine Version zu bauen, die überhaupt weiter rezipierbar ist, ohne dass es eine klassische Dokumentation wird.
CB: Nochmal zurück zum Thema der Überwachung im privaten und öffentlichen Bereich. Da habt Ihr den Nerv der Zeit getroffen, noch bevor Edward Snowdens Enthüllungen ans Licht kamen. Wird Euch das auch weiterhin beschäftigen? Oder denkt Ihr, dass sich das dann auch irgendwann mal erschöpft hat?
CW: Es ist gerade eine sehr prägende Erfahrung unserer Gegenwart, diese Überwachung. Die geht ja nicht einfach weg. In unserer neuesten Arbeit, beim Random Darknet Shopper, steht sie nicht mehr im Vordergrund. Aber es ist natürlich ein Thema, das immer da ist. Das macht einfach unsere Zeit aus, in einer gewissen Weise. Inzwischen kann man ja auch nicht mehr von DER Überwachung sprechen. Die ist so mannigfaltig und verbunden mit so vielen Nuancen und unterschiedlichen Erfahrungen von Beobachtetsein, auch von Beherrschtsein. Das wird natürlich weiterhin präsent sein.
DS: Aber wir wollen jetzt nicht Überwachungs-Künstler werden. Wir wollen halt einfach weiter mit zeitgenössischen Themen arbeiten. Und vielleicht drängt sich da mal was Anderes auf, und dann spezialisieren wir uns in die Richtung. In der letzten Ausstellung ging’s jetzt eher darum, Räume zu beleuchten, wo du eben anonym agieren kannst. Da spielt die Überwachung auch mit rein. Die ist sicherlich mit ein Grund, warum diese Räume überhaupt existieren. Aber sie ist jetzt, wie Carmen sagt, als Thema nicht mehr so im Vordergrund.
CB: Mir scheint, dass Ihr an diese brisanten gesellschaftspolitischen Themen eigentlich immer mit einer durchaus ernsthaften Haltung rangeht, aber dass immer auch so eine gewisse Ironie oder vielleicht auch ein Zynismus drinsteckt.
CW: Ich würd’s Humor nennen. Ich glaube, Humor kann nur dann entstehen, wenn man eine gewisse Distanz aufbauen kann, und es ist gerade bei gegenwärtigen Themen sehr wichtig, dass man versucht, etwas Distanz zu nehmen. Zeitlich kann man das nicht, weil es ja eben Gegenwart ist. Das ist manchmal auch eine Schwierigkeit bei unseren Arbeiten. Dass wir über Dinge reden, die zeitlich noch nicht bewertet oder eingeordnet sind, und die wir dann selber einordnen müssen. Und ich finde, wenn man das tut, dann tut man gut daran, ein bisschen Distanz zu schaffen über den Humor. Wir müssen ja auch keine definitiven Antworten liefern. Wir stellen Fragen oder kommentieren oder machen sichtbar.
DS: Und da ist es natürlich einfacher für uns, wenn du mit einem konzeptionellen Humor an diese schweren Themen rangehst. Das macht es einfacher, da drin zu agieren. Weil, wenn du jetzt dieses Assange-Thema so ganz nüchtern und politisch betrachtest, dann schläfst du nicht mehr gut. Darum ist es wichtig, das ein wenig von aussen zu betrachten und eben zu schauen, gibt’s spannende Momente, gibt’s da Momente, die wir schaffen könnten, wo man partizipieren kann, wo wir vielleicht auch die Kontrolle nicht mehr haben, wo’s dann auch für uns persönlich spannend wird. Das ist sehr wichtig bei unseren Arbeiten.
CB: Du hast jetzt zwei Dinge angesprochen, auf die ich auch noch zu sprechen kommen wollte. Vielleicht kannst Du das noch ein bisschen weiter ausführen. Da ist einmal diese Interaktion, die Teilhabe von Rezipienten. Bei Opera Calling wurden ja die Reaktionen der Angerufenen auch aufgezeichnet. Bei CCTV und Militärstrasse 105 weist Ihr den Betrachtern diese Rolle der Überwachenden zu. Inwiefern sind Eure Aktionen auch als Aktivierung der Bevölkerung zu verstehen? Das ist das eine, das andere ist dann dieser Aspekt des Kontrollverlusts oder des Zufalls.
CW: (Pause). Den Begriff find ich schwierig. Bei interaktiver Kunst würde ich eher an etwas denken, das im Museum ist und das ich als Zuschauerin bedienen und beeinflussen kann. Das ist es ja bei uns nicht. Wir zwingen ja diese Interaktion immer auf, und sie ist immer auch gerichtet, in einem gewissen Sinn. Wir geben da auch die Kanäle vor. Das Werk ist ja nicht total offen. Und eben die Aktivierung, ich wehre mich da immer dagegen. Man sagt, die Leute gehen ins Museum, und die sind da so passiv...
CB: ... ja, aber ich meinte es jetzt nicht unbedingt in dem Sinne, eher so, dass Ihr halt das Bewusstsein für bestimmte Themen schärft.
CW: Schon, aber das macht ja ein Bild unter Umständen auch. Da wäre für mich halt dann die Frage, wann aktiviert sich etwas bei jemandem. Und ich glaube, da sind unsere Arbeiten ähnlich wie andere auch. Bei manchen wird sofort ein Impuls ausgelöst, so im Sinne von „das muss ich unbedingt auch tun“ und bei anderen, die sehen sich etwas an, und da passiert nichts. Es kann natürlich schon sein, dadurch, dass wir halt Dinge sichtbar machen, beispielsweise bei diesen CCTV-Arbeiten, dass die Leute halt merken, „oh, diese Überwachung, die kommt ja gar nicht nur von oben, ich kann mich ja da auch einschalten, weil die haben ja das auch gemacht, und so schwierig ist das jetzt auch nicht.“ Das passiert natürlich, dass Leute sich die Devices auch bauen und auch losgehen. Aber wir tun hauptsächlich Erfahrungsräume auf. Ob die jetzt so aktivierend sind, weiss ich auch nicht.
DS: Es ist sicher nicht das primäre Ziel. Was das Aussen mit unseren Arbeiten macht, das kann ich nicht kontrollieren. Uns geht’s eigentlich mehr darum, Systeme und Mechanismen zu erkennen und dann die aber auch nicht so als absolut zu verstehen, sondern halt auch zu merken, ich kann da eingreifen, ich kann da was verändern, ich kann da mitspielen, ich kann da Humor reinbringen oder eben nicht. Das gilt für uns intern. So gehen wir an Arbeiten heran. Und wenn das dann kopierbar ist oder wenn dieser Prozess kopierbar ist, dann ist das gut. Aber es ist jetzt nicht ein politischer Anspruch von uns...
CW: ...ja, oder es ist auch nicht in allen Arbeiten gleichermassen so, finde ich.
CB: Und zu diesem Moment des Unkontrollierbaren oder Unkalkulierbaren? Das steht ja eigentlich ein wenig im Gegensatz zu Euren Themen. Ihr beschäftigt Euch mit Macht und Kontrolle und gebt dann aber in der Umsetzung die Kontrolle ab.
DS: (lacht) Vielleicht als Gegenreaktion? So die totale Kontrolle versus Kontrollverlust? Nein, also ich merke halt einfach, wir mögen diese Momente, wo wir Räume öffnen, von denen wir auch wissen, dass wir die nur über eine begrenzte Zeit bespielen können. Wir schaffen’s nicht, eine Software zu schreiben, die wirklich nachhaltig wirkt. Wir sind aber gut darin, Löcher zu schaffen, die sich über eine gewisse Zeit im Kunstraum definieren, die man bespielen kann und wo wir vielleicht auch die Kontrolle abgeben, weil wir’s dem Zufall überlassen, weil wir ein System schaffen. Bei der Postdrohne etwa, bei Delivery for Mr. Assange, da hatten wir während der gesamten Performance genau gleichviel Ahnung davon, was gerade passiert, wie alle anderen Zuschauer online. Nur dass wir die Geschichte natürlich noch kommentiert haben.
CW: Ich glaube, dieser Kontrollverlust liegt auch ein bisschen in der Natur der Live-Medien. Wir können ja nichts Anderes, als in das System, in das wir intervenieren wollen, eingreifen und was verändern und eine Situation schaffen. Aber dann läuft das System ja weiter. Was dann passiert, ist einfach nicht absehbar.
DS: Wir konnten auch nicht wissen, wie das Opernhaus auf unsere Aktion reagieren würde. Aber es war wie klar, die müssen sich dazu verhalten. Und dann gibt’s wahrscheinlich die Medien, die sich auch dazu verhalten. Und dann gibt’s uns und das Cabaret Voltaire. Die Frage ist dann eher, lässt du’s ganz los oder versuchst du noch, es zu steuern? Du schaffst eigentlich ein Setting, wo gewisse Abhängigkeiten entstehen, und da weisst du halt nie, was passiert. Es ist dann wie offen, gibt es eine Anklage oder nicht, ist jetzt der juristische Raum am Ende unser Performanceraum oder bleibt’s in diesem Kunstspace drin.
CB: Damit wurdet Ihr ja mehrmals schon konfrontiert. Also mit der Androhung rechtlicher Schritte. Wie stellt Ihr Euch zur Provokation?
CW: Uns geht’s überhaupt nicht darum zu provozieren. Wir versuchen das auch zu verhindern. Wir müssen halt manchmal an die Grenzen gehen, weil es einer Aussage, einer Idee oder der Schaffung einer Situation dient...
CB: ... bei UBS lügt, beispielsweise? Da musste das Plakat noch während der Vernissage entfernt werden.
CW: Genau. Aber gerade da war diese Konfrontation für uns eigentlich sehr überraschend. Es gibt Arbeiten, wo wir eher damit rechnen müssen, dass was geschieht, aber bei dieser Arbeit, da gab’s so viele Momente im Vorfeld, wo jemand hätte kommen können und hätte sagen können, das geht so nicht oder das dürft ihr nicht, und das ist nicht passiert. Die Arbeit wurde davor auch schon mehrfach gezeigt. Es war keine neue Arbeit, wir haben die nicht extra für dieses Billboard produziert. Und dann wurde das Plakat da aufgehängt...
CB: Also das Problem war da eher der Kontext?
CW: Genau. Wir haben da mit einer Firma zusammengearbeitet, die das Ding auch gedruckt hat und offenbar hat die nicht gut genug geschaut. Aber wir hatten überhaupt nicht das Gefühl, dass wir uns sehr weit zum Fenster rauslehnen.
DS: Wir haben sehr viel über das Verhältnis öffentlicher Raum und Kunstraum gelernt. In London. Über Machtverhältnisse auch, die da herrschen. Da war es halt unmöglich, dieses Plakat auf dem Billboard zu zeigen. Unmittelbar dahinter war ja der Kunstraum. Keine zwei Meter entfernt. Und das Plakat dann in den Kunstraum zu stellen, war überhaupt kein Problem.
CB: Weil aber eben der Kunstraum kein öffentlicher Raum ist.
DS: Es ist ein geschützter Raum. Da kannst du heute offenbar mehr sagen, als wenn du dich mit den gleichen Mitteln auf die Strasse stellst. Das hat uns schon noch fasziniert, weil sich da dieser Bruch auch physisch manifestiert hat. Es waren zwei Meter! An der öffentlichen Strasse geht’s nicht, drin geht’s.
CW: Genau. Man muss dazu noch sagen, zu diesem Take-down, die Ausstellung hiess Too big to fail, too small to succeed. Also zu gross um zu scheitern, das wären die Banken, und wir sind zu klein, um quasi zu reüssieren. Als die das Plakat runtergenommen haben während der Vernissage, wurde das von den anwesenden Leuten erst als Performance aufgefasst. Es hat einfach so gut gepasst und so viel von dem, was wir mit der Ausstellung sagen wollten, ausgedrückt. Wir mussten dann erklären, dass das keine Performance von uns war, dass es nicht inszeniert sondern echt war. Das war schon ein sehr erstaunlicher Moment.
CB: Da hat der Kontrollverlust die Arbeit ungemein bereichert.
CW: In einer gewissen Weise schon, ja. Die Auseinandersetzung war natürlich überhaupt nicht angenehm.
DS: Auf dem Plakat, dieses „UBS lügt“, also wenn man das gesehen hat, das war ja eigentlich sehr subtil. Bei Werbung schreibt man normalerweise riesig die Message drüber. Und da war das relativ klein in diesem Bild drin. Man musste sich auch wirklich vor dieses Plakat stellen und es anschauen, um das zu lesen. Das ist eigentlich total untergegangen. Von der Ästhetik her hatte es überhaupt nicht diesen Billboard-Charakter.
CB: Wir haben bislang vor allem über inhaltliche und konzeptuelle Aspekte Eurer Arbeit gesprochen. Mich interessiert jetzt aber auch die formale Umsetzung. Denkt Ihr das immer schon mit, oder ist das für Euch ein gesonderter Arbeitsschritt? Wenn Ihr bei der Planung und Durchführung der Aktionen seid, denkt Ihr da an die Ausstellung?
CW: Es spielt natürlich schon mit. Aber ich würde sagen, dass wir nach der Live-Performance jeweils das Formale der Ausstellung erst dann entscheiden, wenn wir das ganze Material kennen. Was wir sicher machen, ist, während der Live-Performance soviel Material zu sammeln wie möglich. Wir versuchen, alle Kanäle aufzuzeichnen, einfach damit wir alles haben. Und ein kleiner Bruchteil davon ist dann die Ausstellung sozusagen. Bei Surveillance Chess beispielsweise: das Video, das in Ausstellungen gezeigt wird, ist eigentlich ein Mitschnitt der Überwachungskamera. Man sieht, wie die Überwachungskamera von uns übernommen wird und wie sie dann weiterläuft. Wir haben aber die ganze Performance auch von aussen gefilmt. Eigentlich haben wir erst gedacht, dass wir dann daraus den Film für die Ausstellung machen würden. Beim Sichten des Materials war dann aber klar, dass wir nur die Perspektive der Surveillance-Kamera als Ausgangsmaterial nehmen.
DS: Da fällt dann auch noch ganz viel weg. Man hat sehr viel Arbeit in etwas investiert und wenn man das dann alles im Atelier ausbreitet, merkt man, dass es dem Konzept nicht dient oder das andere präziser ist oder ästhetischer und formal spannender.
CB: Das sind so Entscheidungen, die man beim Erarbeiten eines Werks zwangsläufig treffen muss, unabhängig davon, in welchem Medium.
DS: Genau. Aber wir versuchen während der Live-Performances, obwohl sie ja sehr konzeptuell sind, natürlich Bilder zu kreieren, die schon stark sind, an denen man sich orientieren kann für die Ausstellung. Also wir denken das schon immer mit.
CB: Ich möchte jetzt noch das Thema Kunstbetrieb ansprechen. Ihr habt 2007 ein Atelierstipendium der Stiftung BINZ39 erhalten. Wie habt Ihr das Arbeiten in dieser Ateliergemeinschaft erlebt?
CW: Ich glaube, das war super für uns, vor allem zu diesem Zeitpunkt. Das war schon so ein Moment, wo wir uns noch stärker mit der lokalen Künstlerszene vernetzen konnten. Der Austausch war super. Also es kommt natürlich immer drauf an, wer sonst noch gerade da ist...
CB: ... wer war denn sonst noch da, damals?
DS: Das waren alles Leute, die heute noch sichtbar sind. Stefan Burger, Elodie Pong, Cat Tuong Nguyen, Pamela Rosenkranz war da, Isabelle Krieg, Clare Goodwin. Wir waren einfach ein Teil einer lokalen Zürcher Szene, die jetzt nicht mehr nur lokal arbeitet. Aber in dem Moment war es irgendwie gut, weil wir alle an einem ähnlichen Punkt waren, am Experimentieren. Einige waren schon ein wenig weiter als wir oder etwas bekannter.
CW: Für uns, die wir ja aus einer etwas anderen Ecke der Kunst gekommen sind, war’s extrem spannend, uns mit Künstlerinnen und Künstlern auszutauschen, die eine ganz andere Praxis haben. Ich weiss nicht, woran das genau liegt, aber ich glaub schon, dass die Binz dazu beigetragen hat, dass dieser Austausch sehr offen war. Wir haben uns gegenseitig mit Fragen konfrontiert, die uns erst mal einfach verwirrt haben. Wenn wir so miteinander gesprochen haben, war das so, „warum machst du denn das jetzt nicht so?“ – „ok, so hab ich mir das überhaupt noch nie überlegt“. Einfach weil halt der Background ein anderer war. Das war sehr fruchtbar für uns.
CB: Ihr seid dann 2010 für ein halbes Jahr nach London gegangen. Ist das nicht ein ziemlich hartes Pflaster für Kunstschaffende? Im Vergleich jetzt mit Berlin, beispielsweise?
DS: Doch. Aber es ist ein pulsierender Raum. Der Zeitpunkt war vielleicht ein wenig schwierig, weil wir kurz davor grade ein Kind bekommen hatten, das heisst, wir konnten uns nur so halb um die Kunst kümmern. Aber Adnan lebt in London, wir sind da sehr gut vernetzt, haben sehr viele Künstlerfreunde. Auch die Art von Arbeiten, wie wir sie machen, das ist für die Leute in London schon zugänglicher als hier, wo es sehr wenig Räume gibt, die spezifisch Netzarbeiten zeigen oder die einen Umgang damit haben. In London ist das einfacher, und es ist natürlich spannend, in einem solchen Umfeld zu sein. Es ist hart, das stimmt, aber die Leute rennen auch. Und dieses Rennen, das tut uns gut. Es ist einfach sehr anregend.
CB: Und wie war Warschau?
DS: Es war nicht ganz einfach in Warschau, weil diese Art von Residency für unsere Arbeit nicht so viel Sinn macht. In London war klar, wir arbeiten auf eine Ausstellung hin. Wir hatten da einen Kontext, hatten zu tun, und in Warschau war es so offen. Wir hatten einfach einen Raum zu Verfügung, und das nützt uns nicht so viel, weil wir sehr stark auch die Umgebung kennen müssen, in der wir arbeiten.
CW: Da war auch die Institution ein bisschen schwierig, dadurch, dass sie intern eine schwierige Zeit hatten, hatten sie sehr wenig Kapazität, sich um die Künstlerinnen und Künstler zu kümmern. Uns hat da ein wenig die Vermittlung, die Einführung in den Stadtraum gefehlt, die sie wahrscheinlich hätten leisten müssen, weil es für uns alleine schon sprachlich sehr schwierig war. Erst ganz am Ende hatten wir dann plötzlich Kontakt mit der Uni, was extrem spannend war. Aber wir waren nur drei Monate da, und das hat sich dann erst in den letzten zwei Wochen ergeben. Das war zu spät.
DS: Wir haben zwar sehr viele gute Leute kennengelernt und haben unsere Projekte vorangetrieben, aber wir hätten auch in Zürich sein können. Wir haben da nichts Spezifisches gemacht, hatten da keine Ausstellung. Das ist schon ok, aber ich glaube, diese klassischen Artist-in-Residence-Programme sind, so wie sie funktionieren, ein wenig wie ein Durchlauferhitzer für Künstler, die da durchgeschleust werden. (Pause). Das find ich problematisch. Zumindest für uns.
CW: Man könnte auch sagen, wir sind keine Studio-Künstler. Das Atelier ist natürlich unser Rückzugsraum und unser Arbeitsort, aber unsere Arbeiten finden nicht da statt. Wir sind halt wirklich auch auf einen Austausch mit der Stadt angewiesen. Seitdem haben wir eigentlich diese Art von Residencies gemieden (lacht).
CB: Dafür habt Ihr aber nun schon zweimal die Swiss Art Awards erhalten. Wie schätzt Ihr den Status dieses Preises ein? Ist er ein Türöffner?
DS: Der ist natürlich gut, weil es ein Geldpreis ist, das bedeutet, dass wir neue Arbeiten produzieren können, ohne einen Riesenstress zu haben. Und dass wir uns auch mal Löhne auszahlen können davon. Rein von der Reputation her habe ich das Gefühl, dass vor allem im letzten Jahr sehr viel gemacht wurde, dass das Ganze auch sichtbarer wird. Wir haben ihn das erste Mal 2008 gewonnen und jetzt das zweite Mal 2014, das ist schon ein Riesenunterschied. Was die Öffentlichkeitsarbeit angeht, ist da viel passiert. Davor wurde wohl schon auch viel Aufwand betrieben, aber man hat nicht wirklich darüber gesprochen. Man will sich dem auch nicht stellen, was ich aber immer schwierig finde. Man muss das ja nicht negieren, dass diese Preise existieren, sondern darf sie dann auch ruhig zelebrieren. Und wenn’s zu einer politischen Konfrontation kommt, muss man das verhandeln. Ich glaub nicht, dass wir da eine schwache Position haben mit der Kultur und der Kunst in der Schweiz. (Pause). Ja, und diese Ausstellung während der Art Basel, das sehen natürlich schon viele Leute. Wir wurden vielfach von Galeristen angeschrieben, auch aus dem Ausland, die da halt durchgehen und sich die Sachen anschauen.
CW: Ja, ich glaube, er ist auf jeden Fall ein Türöffner. Wir sind vielleicht insofern ein bisschen ein Spezialfall, weil wir schon von Anfang an international arbeiteten. Dadurch dass die Schweiz gar nicht die Institutionen hat, waren wir gezwungen, uns auch in ganz Europa zu vernetzen, das heisst mit Künstlern zu arbeiten, die ähnlich arbeiten wie wir, so dass wir ein Teil einer grösseren Gemeinschaft wurden. Von daher habe ich das Gefühl, wahrscheinlich nützt der Preis Künstlerinnen und Künstlern mit einer klassischeren Ausrichtung mehr als uns. Aber in der Schweiz macht er schon unsere Arbeit nochmal sichtbarer, das ist sicher gut.
CB: Ihr engagiert Euch auch für die Künstlerausbildung. An der ZHdK habt Ihr mehrmals eine Veranstaltung geleitet. Wie hat sich dieses Engagement ergeben?
CW: Das ist ein sehr schönes Format, das die ZHdK nach wie vor für die Bachelor-Studierenden anbietet. Es heisst Z-Modul, das ist so ein Quer-Modul, wo sich die Studierenden nach Lust und Laune einschreiben können.
CB: Heisst das, es ist interdisziplinär angelegt?
CW: Genau. Wir sind halt nicht ZHdK-intern, deshalb kann ich nicht genau sagen, wie es ausgerichtet ist. Aber es gibt zwei Termine pro Jahr, und es ist jeweils eine Workshopwoche im Februar und im September, bevor das eigentliche Semester losgeht. Man arbeitet eine Woche an etwas und präsentiert dann am Freitagnachmittag das Ergebnis. Die Veranstaltung hiess Hacking Radio Space und war ein Z-Modul, das wir mit zwei weiteren Dozierenden entwickelt und bisher dreimal durchgeführt haben. Wir haben mit den Studierenden so Mini-Piratenradiosender gebaut, also gelötet, und die Studierenden haben dann damit etwas Eigenes gemacht.
DS: Es ging einfach darum, diesen Raum, den dieser FM-Radio-Sender abdeckt – das waren so zwischen 5 und 20 Metern Reichweite – diesen Raum zu bespielen und da halt Situationen zu kreieren.
CW: Die Studierenden haben aber irgendwas gemacht, das mit ihrer eigenen Praxis zu tun hat. Wir hatten da Leute aus dem Bereich Theater, die an diesen Raum natürlich eher theatral herangehen, indem sie sich überlegen, wie kann ich damit eine Aufführung machen. Also das war für sie dann ein Aufführungsraum. Für Kunststudierende ist es eher ein Performance-Raum, dann hatten wir auch Designer, die eher am Device selber rumgedacht haben. (Pause). Das war von der ZHdK ausgeschrieben, und im nächsten Jahr, also im Februar 2015, manchen wir ein neues Z-Modul zum Thema Identitäten.
CB: Die Künstlerausbildung ist also etwas, das Euch auch weiterhin beschäftigt?
CW: Ja, wir unterrichten immer wieder, machen auch Mentorate, aber nicht nur an der ZHdK. Wir unterrichten nächste Woche an der Parsons in Paris, und in Kassel haben wir auch schon was gemacht. Wir werden auch immer wieder angefragt. Vorläufig wollen wir aber keine fixen Anstellungen. Deshalb sind diese Z-Modul-Wochen für uns auch ideal.
CB: Nochmal zurück zu Eurer Arbeit, aber jetzt mehr mit dem Fokus auf Eurer Werkdokumentation. Eure Arbeiten bestehen ja zu einem grossen Teil aus Filmen und Audiodateien. Dazu interessieren mich eigentlich zwei Dinge: Das erste betrifft den Kunstmarkt, der sich bis heute eher schwer tut mit Installations- und Medienkunst. Gefragt sind noch immer vor allem die klassischen Dinge wie Zeichnung, Malerei, Skulptur, vielleicht noch Fotografie. Wie geht Ihr damit um? Spielt die Frage des Verkaufspotenzials für Euch eine Rolle?
CW: Bei der Produktion nicht, nein. Da folgen wir wirklich unseren Interessen, auch formal. Wir verkaufen aber schon. Und ich finde auch, dass es viel weniger schwierig geworden ist, aber das ist jetzt natürlich eine total subjektive Einschätzung. Wir stellen ja auch alles online. Vor etwa 10 Jahren war es noch fast unmöglich, ein Video zu verkaufen, wenn es auch online war, weil die Leute gesagt haben, es ist ja zugänglich. Aber dieses Verständnis ist heute da. Das ist was völlig Anderes, ob es auf unserer Webseite oder wo auch immer online steht oder ob das Museum die Installation kauft. Dazu müssen wir jetzt keine Fragen mehr beantworten. Wir haben uns auch immer schon geweigert, die Sachen runterzunehmen und haben dann lieber nicht verkauft, weil wir einfach fanden, dass es zugänglich bleiben muss.
DS: Wir blenden das hauptsächlich aus. Wir machen das, was wir gut finden. Wenn wir eine Ausstellung haben, dann muss die Arbeit so in diesem Raum funktionieren. Ob die dann verkäuflich ist oder nicht, das ist sekundär.
CB: Wie sieht’s denn aus, wenn jetzt eine Arbeit von einer Sammlung, privat oder öffentlich, angekauft wird, eine Installation beispielsweise. Gebt Ihr da Anweisungen, wie die zu installieren ist? Gibt es Pläne und Auflagen zu den Screens oder so?
DS: Ja, da gibt es Pläne. Aber das sind alles Richtwerte, weil es je nach Raum angepasst werden muss.
CW: Wir haben ja auch Erfahrungen mit der Arbeit gemacht und wissen, was funktioniert und was nicht. Das wird dann natürlich in Gesprächen auch verhandelt und wir begründen es. Es soll ja keine Schikane sein. Wir wissen, dass zum Beispiel bei der Assange-Arbeit der Film auf Beamer nicht funktioniert. Sonst bräuchte man einen dunklen Raum und wir arbeiten nicht gern mit Black Boxes. Darum bevorzugen wir den Screen. Es ist einfach wichtig, dass der Käufer versteht, was die Überlegung dahinter ist, das ist ja nicht willkürlich gesetzt. Und das wird auch ernst genommen.
CB: Werden solche Dinge auch schriftlich festgehalten?
CW: Ja, genau. Die Käufer bekommen ein Dossier dazu, wo alle Files und Geräte aufgeführt sind. Wir versuchen, alles zu tun, damit die Arbeit sowohl konservatorisch haltbar ist und sie auch selbständig und in unserem Sinne wieder aufgebaut werden kann.
CB: Genau, das wär mein nächstes Stichwort gewesen, das Konservatorische. Inwiefern spielt das bei Euch mit in den Arbeitsprozess rein? Also, dass Ihr überlegt, in welchem Speicherformat Ihr Eure Daten sichert, oder so. Plötzlich ist ja vielleicht einfach die Software zur Wiedergabe nicht mehr vorhanden.
DS: Das ist uns wichtig. Wir brauchen dafür die offensten Formate, die es gibt. Die sind auch am zukunftsfähigsten. Also Sachen, die auch open-source sind. All unsere Arbeiten, bei denen Software involviert ist, beziehen sich auf offene Systeme. Wir arbeiten mit Linux. Das wird uns überleben. Da ist auch keine Firma dahinter.
CB: Indem Ihr kommerzielle Interessen umgeht, denkt Ihr, dass Ihr den Fortbestand quasi sichern könnt?
CW: Ja, genau. Und wir versuchen auch, alles was gespeichert werden muss, bei uns zu behalten. Aber wir arbeiten halt mit Live-Medien. Es gibt zwangsläufig Dinge, die verschwinden. Beispielsweise gibt es bei der Delivery-Performance Kommentare von Twitter-Accounts, die nicht mehr existieren. Das ist einfach weg.
DS: Bei Delivery for Mr. Assange haben wir eigentlich die meiste Arbeit in eine Software gesteckt, die dafür sorgte, dass diese Bilder hochgeladen werden, dass die auf unserer Website und auf Twitter auftauchen. Das ist jetzt aber nicht mehr Teil von der Ausstellung. Das ist wie weg. Aber das ist halt einfach so.
CW: Ich glaube, damit muss man auch leben. Es gibt Teile von unseren Arbeiten, die von mir aus ewig überdauern können, und dann gibt es Teile, die das einfach nicht können und auch nicht müssen. Ich finde, die Kunst hat so einen Anspruch auf Ewigkeit, das ist manchmal auch ein bisschen übertrieben.
CB: Dafür ist natürlich vor allem aus institutioneller Perspektive ein Interesse da.
CW: Deshalb find ich es immer auch sehr schön, an öffentliche Institutionen verkaufen zu können. Die haben da auch die Möglichkeiten, so ein Videofile oder eine Videoinstallation konservieren zu können. Das finde ich super.
CB: Noch eine Frage zu Eurer aktuellen Ausstellung in St. Gallen. Welche Rolle nehmt Ihr da ein? Seid Ihr Co-Kuratoren?
DS: Vielleicht... (lacht)
CW: Ja, seit langem wieder mal. Wir haben das jetzt seit unseren Anfängen nicht mehr gemacht. Das ist zufällig entstanden, weil wir fanden, man muss jetzt eine Ausstellung zu diesem Thema machen. Wir haben dann die Zusammenarbeit mit der Kunst Halle gesucht, und sie waren auch bereit dazu. Wir sind aber keine Kuratoren. Wir haben diese Rolle auch nicht eingenommen. Ich finde, kuratiert hat die Kunst Halle. Das Ausstellungskonzept, wie das in den Räumen ausschaut, das haben sie gemacht. Wir waren einfach an der Künstlerauswahl beteiligt. Die Auswahl haben wir gemeinsam gemacht, und dann haben wir uns auch auf unseren Beitrag konzentrieren können. Es wäre vielleicht auch ein bisschen schwierig, beides machen zu müssen.
CB: Abschliessend möchte ich Euch noch nach Euren künftigen Projekten und Perspektiven fragen. Erst mal geografisch. Ihr habt ja immer noch Euer Standbein auch in London. Seht Ihr Euch weiterhin in Zürich oder zieht’s Euch mal weg?
DS: Es ist gerade ein spannender Zeitpunkt, wo wir das sehr stark diskutieren, was es bedeuten würde, vielleicht nach London oder nach New York zu gehen. Für eine Weile, zumindest. Das ist natürlich finanziell nicht ganz einfach. Aber im Moment haben wir schon ein Interesse an einem Raum, wo’s ein bisschen mehr Spannung gibt. Zürich ist super, hier kann man gut produzieren, aber so auf inhaltlicher Ebene gibt’s hier nicht so eine Auseinandersetzung. Für die Kunst, wie wir sie begreifen, gibt es vielleicht spannendere Orte. Und dann müsste man auf ganz vieles verzichten. Da sind wir jetzt gerade mitten in der Diskussion. Vielleicht gehen wir jetzt mal für ein Jahr, und dann kommen wir wieder. Wir wissen es noch nicht.
CB: Wo zieht es Euch denn inhaltlich hin? Gibt es Themen, mit denen Ihr Euch unbedingt auseinandersetzen möchtet?
CW: Das ist schwer zu sagen. Wir sind oft gleichzeitig an mehreren Sachen dran und verwerfen dann einen Grossteil wieder. Von dem her ist es schwierig zu sagen, was in Zukunft inhaltlich genau passiert. Ich glaube, dieses Darknet-Thema, das wird uns weiter begleiten, vielleicht nicht in dieser Form, aber die Frage nach anonymen Räumen, nach Identität, nach Alternativen zur Massenüberwachung. (Pause). Ja, es ist wirklich schwierig zu sagen, weil es bei uns oft so ist, dass, wenn das Thema feststeht, das Konzept auch schon da ist, und dann ist die Arbeit schon gemacht. Unsere Arbeit ist es eigentlich, das Konzept zu machen. Der Rest ist dann Umsetzung. Klar ist das auch Arbeit, aber das Konzept ist schon so der Hauptanteil. Und da lassen wir uns im Moment ein bisschen treiben. Wir haben so ein paar konkrete Settings, mit denen wir jetzt...
DS: ...arbeiten werden. So rein von der Praxis her würde ich gern seriell arbeiten. Vielleicht kleinere Arbeiten machen, die dann aber sehr schnell aufeinander folgen. Bisher waren’s immer grössere Geschichten, die konzeptionell aufgeladener sind, wo du dann auch ein halbes Jahr dran bist. Auch vielleicht mehr Sachen produzieren, die dann eine künstlerische Haltung zeigen...
CB: ...kleine Kommentare...
DS: Ja, genau. Ähnlich, wie es Leute machen, die zum Beispiel zeichnen. Sowas wie Skizzen. Das versuchen wir jetzt gerade.
© SIK-ISEA; Dieses Interview wird wie folgt zitiert: Interview von Claudia Blank mit !Mediengruppe Bitnik, 1. Dezember 2014, SIK-ISEA.